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Gertraud Möhwald (Halle)
[1929 - 2002]

Skulpturen und Zeichnungen
Eine Werkschau ausgewählter Arbeiten aus öffentlichen
und privaten Sammlungen sowie aus dem Nachlass

15. März bis 17. Mai  2003
Vernissage: 14. März, 20 Uhr

im Rahmen der Ausstellung

Galeriegespräch

am 9. April 2003, 20 Uhr

Ausstellungsbesprechungen

Peter H. Feist im Neuen Deutschland vom 8. April 2003

Am 20. Dezember 2002 verunglückte Gertraud Möhwald tödlich. Aus diesem Anlass zeigt das Kunstgewerbemuseum Berlin im Foyer eine kleine Ausstel- lung aus den eigenen Beständen, allerdings reichen diese nur bis 1988. Danach reißt die Sammlung ab.
Die Galerie am Wasserturm konzentriert sich in einer ersten Werkschau nach dem Tod von Gertraud Möhwald auf ihr plastisches Werk der letzten 15 Jahre und ergänzt die Skulpturen durch Zeichnungen, die bisher noch nie ausge- stellt wurden.
Der künstlerische Weg von Gertraud Möhwald, die zuerst bei Gustav Weidanz in Halle Bildhauerei studierte und nach der Geburt von drei Kindern das Stu- dium in der Keramik wieder aufnahm, verlief vom keramischen Gebrauchsge- fäß zur figürlichen Plastik, dorthin also, wo sie als junge Künstlerin eigentlich begonnen hatte.
Der freie gestalterische Umgang mit dem Material Ton, der die Keramik inter- national aus dem Bereich des Kunsthandwerkes in die freie Plastik führte, wur-

Kopf mit offenem Mund, 1997, Keramik, LG

de in der DDR wesentlich von Gertraud Möhwald geprägt.
Im Unterschied zur internationalen Entwicklung verlief der Weg Gertraud Möhwalds aber nicht vom Gefäß zur völlig freien Form, sondern zu figürlichen Plastik.

Auf besondere Weise hat Gertraud Möhwald es verstanden, die ausdrucktra- gende plastische Form mit der figürlichen Konkretheit in Übereinstimmung zu bringen, besonders auch in dem schwierigen Feld des Porträts.
Die Ausstellung zeigt Werke aus öffentlichen und privaten Sammlungen sowie aus dem Nachlass.
Ergänzt wird die Ausstellung durch einfühlsame Fotografien der Leipziger Foto- grafin Karin Wieckhorst, Gertraud Möhwald im Porträt und in ihrem Arbeitsum- feld zeigen.
Am 9. April werden sich Helmut Brade, Karl Fulle, Heidi Manthey, Bernhard Stübner, Gustav Weiß und Cornelia Wieck in einem Galeriegegespräch mit dem Werk und der Persönlichkeit Gertraud Möhwalds beschäftigen, denn "wird von ihrem Werk gesprochen, wird in gleichem Atemzug von ihr gesprochen. Es ist wie sie, authentisch, gleich, ob es sich um Gefäße oder Figuren handelt."*

Büste M. M., 1991, Keramik, N

* Cornelia Wieck:
  aus der Laudatio zur Verleihung des Kunstpreises des Landes Sachsen-Anhalt, 1977

Der Galerist dankt der Familie Möhwald und allen öffentlichen und privaten Leihgebern für die Unterstützung bei der Vorbereitung der
Ausstellung.

Werkbeispiele aus der Ausstellung
[N=Arbeiten aus dem Nachlass
LG=Leihgabe]

weitere Abbildungen von
Werken der Ausstellung

 

Kleiner Kopf auf Ofenkachel, 2001, Keramik, N

Büste mit hellem Gesicht, 2000, Keramik, N

Kopf mit kastenförmiger Frisur III
auf Mamorsockel, 2001, Keramik, N 

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Gertraud Möhwald*:

 

1929 werde ich geboren, im Juni. Ich gehe gern zur Schule, bis 1940 in die Volksschule, danach in die Oberschule für Mädchen in die Dresdner Altstadt. 1945 endet meine Kindheit mit der Zerstörung Dresdens. Mein Vater stirbt. Ich wohne nun mit meiner Mutter in deren Heimatdorf Radis. Mich zieht es nach Dresden zurück, in die Wohnung, die ich mit meiner Schwester teile. 1948 beende ich die Schule mit dem Abitur. Bei der Vorstellung an der Kunstakademie rät man mir, vorerst eine Lehre als Töpfer oder Steinbildhauer abzuschließen. Bildhauer will ich unbedingt werden.

1948 nimmt mich der Steinbildhauermeister Rudolf Kreische trotz Spott und Hohn seiner Kollegen als ersten weiblichen Lehrling. Das ist ein großes Glück für mich. Ich darf im Zwinger arbeiten. Der künstlerische Leiter beim Wiederaufbau des Zwingers ist der Bildhauer Albert H. Braun. Ihm verdanke ich meine ersten Erkenntnisse über das Wesen von plastischen Formen. Ich merke heute, daß mir keiner je Wichtigeres zur Plastik gesagt hat. Er gibt mir den Rat, mich in Halle zum Studium zu bewerben. 1950 werde ich Fach- arbeiterin als Steinbildhauer und Studentin am Institut für künstlerische Werk- gestaltung in Halle. Halle ist ein Traum, die Burg ein Sammelort für inter- essante Typen, die die Welt, jeder auf seine Art, erneuern wollen. Es gibt keinen modischen Stil, dem man sich unterordnet, sondern die Extravaganz der Einzelgänger.
1951-54 bin ich im Fachstudium bei Gustav Weidanz. Er beschneidet, grenzt ein, lehrt Maß und Ruhe, die Disziplin der Form. Das ist wichtig.
1952 heiraten Otto Möhwald und ich, die Tochter Regina wird geboren, 1954 der Sohn Martin. Da gebe ich das Studium auf. 1957 wird Lisa geboren. An Plastik will ich nun nicht mehr denken, sie ist zu schwer für mich, ich schaffe nicht, was ich will. 1959 beginne ich ein zweites Studium im Fachbereich Keramik. Die beiden Lehrer Erika Gravenstein und Gustav Weiß sind extrem verschieden: sie ruht ganz in der Tradition; er ist ein experimentierfreudiger Anreger. Beiden verdanke ich mein Verständnis für das Umgehen mit diesem Stoff.
1964 mache ich mein Diplom und werde danach als künstlerisch-wissen- schaftliche Mitarbeiterin eingestellt.
1970-73 muß ich vertretungsweise den Fachbereich als Leiterin übernehmen. Die einfache runde Drehform befriedigt mich nicht mehr so ausschließlich, das Montieren von ausgewalzten und geschnittenen Platten ermöglicht mir nach und nach interessantere Differenzierungen. Es macht mir Spaß, mich auf diesem Neuland zu bewegen.
1973 wird das vierte Kind, Konrad, geboren. An der Burg lehre ich stunden- weise. Das ist effektiv, und es ist gut für mich. Mich begeistert jetzt die schö- ne natürliche Farbigkeit der Tone. Sie wird mein fast ausschließliches Aus- drucksmittel. Glasur und Dekor will ich nur noch als sparsamen Akzent be- nutzen.
1976 bin ich monatelang krank. 1978 kann ich am 2. Internationalen Keramik- symposium in Römhild teilnehmen. Das ist ein ganz fruchtbares Erlebnis. Mir stehen Zeit und Material in unerschöpflicher Fülle zur Verfügung. Ich bin ge- rade dabei, den Ton als kompakte Masse zu begreifen, als gestauchten Klotz, als Ziegel. Ein Teilnehmer zeigt Dias von Barcelona – ich suche nun alles über Gaudi zusammen, was die Literatur bietet.
1979 erfüllt sich mein Traum – ich lerne Rom kennen. Überwältigt kehre ich zurück, verändert, übervoll von Eindrücken, doch ungesättigt.
1983 werde ich Mitglied der Internationalen Akademie für Keramik in Genf. Anfang der 80er Jahre verselbständigt sich das figürliche Element in meinen Arbeiten, das bis dahin immer einen praktischen Zweck hatte und sich der Gebrauchsform unterordnete. Ich zeichne wieder Akt. Die menschliche Figur nimmt mich sehr gefangen, der Kopf, das Gesicht als Träger für den Aus- druck eines bestimmten Typs. Die Gratwanderung zwischen Naturalismus und dekorativer Plattheit bei der Suche nach realistischer Form macht mir zu schaffen. Ich stelle meine Arbeiten gern mit den Bildern meines Mannes zusammen aus, in Berlin, Leipzig, Halle, Magdeburg. Ich lerne viel von ihm. 1984 mache ich eine Reise durch Mittelasien. Ich kann in Samarkand die ge- waltigen Klötze der Baukörper mit ihren feinen keramischen Außenhäuten be- wundern. 1985 sehe ich Arbeiten von Alfred Hrdlicka in Berlin und in Leipzig.


Julian,  2002,  Keramik, N

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Kopf R. M., o. J., Keramik, N

Halbfigur einer jungen Frau, 1986, Keramik, LG

1986 bekomme ich den Kunstpreis der Stadt Halle verliehen. 1987 reise ich ein zweites Mal nach Rom, sehe auch Pompei und Ostia antica.Ich lerne Rom neu kennen, es ist universell, Sinnbild für eine vitale Verbindung von Altem und Neuem. 1987/88 besuche ich die Giacometti-Ausstellung in Westberlin. Ich arbeite an einem Brunnen für Berlin-Hellers- dorf, verwende dazu Klinker, die frei gebauten keramischen Teile sind stark farbig und glänzend glasiert. 1988 werde ich zu einem Keramikerkongreß nach Talavera de la Reina in Spanien eingeladen. Die Werke Goyas beeindrucken mich tief. Zur Zeit beschäftigt mich ein Konzept für eine Gruppe von drei Figuren – einer Büste, einem liegenden Kopf und einer bewegten Figur, die Nachdenklichkeit, den Tod und das Leben symbolisieren sollen. Es könnte ein Memento für Dresden sein.

* aus Gertraud Möhwalds Text zum Katalog anlässlich der Ausstellung zu ihrem 60. Geburtstag "Gertraud Möhwald - Keramik", Staatliche Galerie Moritzburg Halle/ Staatliche Museen zu Berlin - Kunstgewerbemuseum /Museum des Kunsthandwerks Leipzig - Grassimuseum, 1989
[Rechtschreibung gemäß des Original-Textes]

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Studie Kopf Julian, o. J., Kreide, N

Studie weiblicher Rückenhalbakt o. J., Bleistift, N

Studie Pflanzen,  o. J.,  Feder, N

Studie Kopf, o. J., farbig Kreide, N

Anmerkung: der sensible Charakter der Zeichnungen auf den getönten oder nachgedunkelten Papieren ist mittels Reproduktion und Bildschirmdar- stellung nur andeutungsweise nachzuvollziehen. 
 

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Biografie

 

1929
1948
1948 - 1950
1950 - 1954

seit 1952
1951
1954
1957
1959 - 1964


1964
1964 - 1970
1973
1973 - 1996
1974 - 1989
1978
seit 1983
seit 1990
1990 -1991
1991

1992 - 1997
1993
ab 1997
1997
geboren in Dresden
Abitur
Steinbildhauerlehre im Dresdner Zwinger
Studium der Plastik am Institut für künstlerische Werkgestaltung Halle Burg Giebichenstein, bei Gustav Weidanz
Ehe mit Otto Möhwald
Geburt der Tochter Regina
Geburt des Sohnes Martin
Geburt der Tochter Lisa
Studium der Keramik an der Hochschule für industrielle Formgestal- tung, Halle, Burg Giebichenstein (HiF), bei Erika Gravenstein und Gustav Weiß
Diplom
Mitarbeiterin im Fachbereich Keramik der HiF
Geburt des Sohnes Konrad
freischaffend in eigener Werkstatt in Halle, Senffstraße
Lehrauftrag für Keramik an der HiF
Teilnehmerin am Internationalen Keramiksymposium in Römhild
Mitglied in der Académie internationale de la Céramique (AIC) in Genf
Mitglied von Kunst und Form e. V.
Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin (Ost)
Arbeitsstipendium des Landes Rheinland-Pfalz im Künstlerhaus Edenkoben
zweites Atelier in Berlin, Rykestraße
Ehrengast der Deutschen Akademie in der Villa Massimo, Rom
Atelier in Halle-Ammendorf, Hauptstraße
Kunstpreis des Landes Sachsen-Anhalt

im Dezember 2002 verunglückt Gertraud Möhwald tödlich

Karin Wieckhorst: Gertraud Möhwald, 1991

weitere Arbeiten der Fotografin über Gertraud Möhwald in der Ausstellung

Zahlreiche Ausstellungen und Aus- stellungsbeteiligungen in verschie- denen Städten des In- und Auslan- des, oft zusammen mit Otto und Martin Möhwald.

 

 

Kopf mit orangen Ohrringen, 1999, Keramik, LG

Kopf einer jungen Frau, 1984, Keramik, LG

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Aufnahmen der Exponate: Jürgen Becker, Berlin