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31. August bis (verl.) 14. Oktober 2007 |
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Der Bildhauer und Zeichner Gerd Jaeger
Eine Ausstellung zu seinem 80. Geburtstag
am 16. September 2007
Vernissage:
Donnerstag, den 30. August 2007, 19.00 Uhr
es spricht Wieland Förster, Bildhauer, Berlin
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Rubriken:
Intro
l Biografie l Plastik
I l Plastik
II l Zeichnung
I
Zeichnung II l Vernissage
l Medienecho |
Eröffnungspublikum/rechts vorn:
Aufrechte Figur mit geneigtem Kopf, 1990 |
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Vernissage |
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Prof. Wieland Förster zur Eröffnung der Ausstellung am 30.
August 2007
In einigen Tagen wird Gerd Jaeger, der Bildhauer, Zeichner,
Maler und Schreiber achtzig Jahre alt. Es ist mir eine große
Freude, ihn hier in Berlin mit einigen seiner Arbeiten
vorstellen zu können. Ich staune, wie viele Jahre vergangen
sind, seit ich 1953, krank und ohne Hoffnung, in Dresden zu
studieren begann.
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Bildmitte: Prof. Wieland Förster während der Laudatio
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Bildmitte: Prof.
Gerd Jaeger während der Laudatio
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Zu Gerd Jaeger, der im gleichen Jahr seine Aspirantur an der
Hochschule antrat, einem stillen, fest gefügten, unhysterischen
Mann, fasste ich, fast als Einzigem des Lehrkörpers, Zutrauen.
Man muss wissen, dass unser beider Jugend viel Gleiches in den
Geschicken aufweist.
Jaeger, Jahrgang 27, wurde noch ganz vom Kriegstreiben erfasst
und quälte sich nach dem Krieg vier Jahre lang hungernd und bei
schwerster Arbeit in sowjetischer Kriegsgefangenschaft.
Ich, Jahrgang 30, hatte da HJ-Verweigerung, die Bombenangriffe,
Kaserne und 3¼ Jahre Speziallager in Bautzen hinter mir. Wir
waren also keine geschichtslosen Studenten!
Traurig, das heute erwähnen zu müssen. Dafür war unser Leben
glücklich beherrscht von einer kaum stillbaren Sehnsucht nach
Recht, Glück und Bildung, nach Literatur und allen Künsten.
Damals gab es noch Maßstäbe und Wertvorstellungen, denen wir
nachstrebten, die aber in den darauffolgenden 50 Jahren langsam
verfielen.
Was nun unsere erste, mir im Gedächtnis gebliebene Begegnung
betrifft, war die mit dem jungen Aspiranten, der ruhig,
selbstgewiss und vom Weimarer Studium her Einiges wissend, das
hysterische Schulklima geradezu verdrängte. Er sprach frei und
offen von der Weite künstlerischen Schaffens und stellte
Phantasie und Eigensinn als höchst eigene Werte dar, beließ es
dabei nicht bei Worten, sondern versah uns ?über Nacht? – ich
empfinde heute noch Hochachtung und Dank dafür – mit streng
verbotenen Katalogen, die wir im Bürolampenlicht
abfotografierten (Moore, Picasso und Heiliger waren dabei).
Allein das war einzigartig, ein lebenslang wirkendes Geschenk
ungehorsamer Freiheit in einem total verängstigten Lehrkörper.
Mit dem Wissen um die klassische Moderne war er uns voraus, und
da er in Westberlin schon ein Stück Welt gesehen hatte, besaß er
eine fest gefügte Innerlichkeit.
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Eröffnungspublikum
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Wie fern Gerd Jaeger unsinniger Disziplin stand, erfuhr ich als
sein Schüler im Zeichnen: ich ertrug das Klassenzeichnen nach
Berufsmodellen nicht und meldete ihm meine künftige
Verweigerung. Das war damals ein zu ahnendes Delikt! Jaeger
besah sich, zusammen mit Gerd Kettner meine Blätter und, oh
Wunder, erließ mir die Teilnahme für ein Studienjahr.
Diese Toleranz, gepaart mit seinen Erfahrungen um die
Zusammenhänge von Form und Raum und die intimen Kenntnisse des
Handwerks bewirkte seine Berufung zum Lehrer, der dem Schüler
auch Helfer in privaten Nöten sein konnte.
Das Schwierigste an dieser Entscheidung jedoch war, das eigene
Werk mit Intensität voranzutreiben und zugleich den
Anforderungen des Lehrbetriebes nachzukommen. Er ist einer der
Wenigen, dem dieser Spagat gelungen ist
Sein persönliches Werk nun, getragen von Naturerkenntnis und
exzessivem Eindringen in die Möglichkeiten unseres, also des
vergangenen, Jahrhunderts, reflektiert und verarbeitet den
Reichtum der klassischen Moderne, manche Anregung schmilzt sich
seinen Vorstellungen und seinen künstlerischen Phantasien ein,
was zugleich deren Frucht - und Haltbarkeit bestätigt.
Ausgangspunkt seines Werkes ist und bleibt der Mensch: als
Bildnis, Torso, Figur und freie Figuration. Schon in seinen
Anfängen gibt es Kleinplastiken, deren Ausformungen so
eigenartig und verschieden im Formangebot sind, dass jede
Einzelne den Grundstein zu einem ganzen Lebenswerk hätte legen
können! Aber seine Natur, seine Begabung treibt ihn immer
weiter, weil sie so gar nicht zur Zufriedenheit neigt.
Das ist der Grund, weswegen es hier schier unmöglich ist,
Einzelwerke zu besprechen. Eigen ist allen Arbeiten, ob sanft
und still in der Ausbildung oder widerständig und aggressiv in
den Raum vordringend, dass ihr Ziel stets das innere Gleichmaß,
die Harmonie der Teile, ja der Wunsch, etwas zu vollenden ist
Und das eben nicht nur in der Bildhauerei, sondern, fast gleich
in den Anteilen, ebenso in seiner Zeichenkunst, die er, ob
humoristisch oder existentiell gestimmt, von Anfang an zu
unserem Glück betreibt wie das Schreiben.
Später widmete er sich zunehmend der Malerei, und auch hier
stehen wir staunend, gleich welcher Stimmung er nachgeht, immer
vor dem Guten, dem in sich Gelungenen und somit Vollendeten. Ich
kann über diese Besonderheit der Begabung, über seine
Besessenheit, immer das Ganze zu vollbringen, nur höchste
Achtung und Bewunderung empfinden.
Die gebe ich Dir, lieber Gerd, nach den Jahrzehnten der
Verlässlichkeit mit ins weitere Leben, verbunden mit der
Hoffnung, dass zu unseren Lebzeiten wenigstens ein handliches
Bändchen Deiner Schriftstellerei uns vor Augen kommt.
© beim Autor |
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