Hans Wimmer wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Sein
Werk steht ganz in der Münchener Tradition der Bildhauerkunst
seit Adolf von Hildebrand. Daneben waren es sowohl die Werke des
französischen Bildhauers Maillol als auch die Wilhelm
Lehmbrucks, die ihn nachhaltig beeinflussten. Später kam Gerhard
Marcks als prägendes Vorbild und väterlicher Freund hinzu. Der
höchste Maßstab aber blieb ihm zeitlebens die Kunst der
griechischen Antike, deren formale Konsequenz und menschliche
Dimension.
So war Wimmers Ausgangspunkt der lebendige Mensch, das ihm
gegenüber stehende Modell. In seiner plastischen Verdichtung zu
klaren Volumina zu kommen, darin sah er seinen Auftrag.
Wimmer verband die durch die klassische Moderne eröffneten
formalen Erfahrungen und Möglichkeiten mit der Bewahrung des
Menschenbildes zu einer gültigen ?klassischen? Gestaltung.
Ihm ging es in seinem Schaffen immer um den Menschen, der die
Kunst mit den großen Themen speist, die da liegen zwischen Liebe
und Tod, zwischen Stille und Dramatik, zwischen dem Irdischen
und dem Himmlischen.
Er suchte nach der dem Gegenstand innewohnenden Ordnung. Das
Geheimnis der Form war für ihn Zeugnis des Geistes. »Keine Angst
vor dem Gegenstand!«, schrieb er, »er enthält alles: unsere
Abstraktion, unsere Geistigkeit, unsere Zeit.«
Wimmer widersetzte sich dem Spiel mit leeren Formen, für ihn
ging es darum, Sinn und Form untrennbar zu verknüpfen.
Im Kunstgeschehen seiner Zeit allerdings war er ein Fremder. Für
viele war er zu sehr der Tradition verpflichtet.
In den Nachkriegsjahren wurde Wimmer zu einer Reihe bedeutender
Ausstellungen eingeladen, die anknüpfend an die klassische
Moderne eine bislang nicht gesehene künstlerische Vielfalt der
Entwicklung bildender Kunst in Deutschland zeigten.
Die Zuspitzung der Debatte um den unversöhnlichen Gegensatz von
abstrakter und figurativer Kunst führten bei Wimmer zu einer
zunehmenden Distanzierung von der » Kunstszene«. Er widersetzte
sich den allgemeinen Trends der Kunstentwicklung, die alle in
der Überwindung der Figur gipfelten. Er entzog sich dem
Ausstellungsbetrieb und dem Kunstmarkt.
Für die Verteidiger des Menschenbildes in der Kunst aber ist er
einer der bedeutenden Bildhauer des 20. Jahrhunderts.
Die Galerie am Gendarmenmarkt nimmt den 100. Geburtstag Hans
Wimmers zum Anlass, ihr Bemühen um die figürliche Plastik weiter
auszuprägen und zu erweitern. Es geht dabei um die Bewahrung
qualitativer Werte bildhauerischen Schaffens, unbeeindruckt von
allem Spektakulären und Effektheischenden des aktuellen
Zeitgeistes in der bildenden Kunst.
Die Ausstellung in der Galerie am Gendarmenmarkt ist Wimmers
erste in Berlin überhaupt.
Sie zeigt Beispiele seiner Porträtkunst, mit der sich zeitlebens
intensiv auseinander gesetzt hat, drei lebensgroße Plastiken,
die eher selten in seinem Werk sind und eine ganze Reihe
figürlicher Kleinplastiken, die eigentlich sein Hauptwerk
darstellen.
Allerdings bleiben seine Verdienste um den öffentlichen Raum, um
die Gestaltung von Denkmalen in der Galerieausstellung
unberücksichtigt. In der Würdigung des Schaffens Hans Wimmers
sind diese aber generell unterbewertet.
Die Ausstellung umfasst auch Zeichnungen, die für ihn stets
Studien zu den Plastiken waren. Zeichnen war für Wimmer weniger
ein eigenständiges Genre.
Hans Wimmer hat verfügt, dass seine Plastiken nicht postum
gegossen werden dürfen, was dazu führt, dass seine Werke auf dem
Kunstmarkt kaum noch verfügbar sind. Die Galerie am
Gendarmenmarkt zeigt nun erstmals 15 Jahre nach dem Tode von
Hans Wimmer im Jahre 1992 eine Ausstellung verkäuflicher
Exponate.
Ebenfalls ein Premiere werden die Worte sein, die Christiane
Wimmer anlässlich der Vernissage zum Leben und Werk ihres Vaters
spricht. |