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Torsi und andere Figuren von Waldemar Otto
Worpswede

22. Oktober bis 26. November 2005

 

Vernissage: Freitag, 21. Oktober 2005, 19 Uhr
in Anwesenheit de Künstlers

Die Skulpturen von Waldemar Otto wirken besonders bild- hauerisch und plastisch, gerade dies macht seine Kunst so enorm anziehend. Er bringt in seinen Arbeiten den Inhalt der Bildhauerei schlechthin zum Ausdruck, indem er die leblose und starre Materie zum Sprechen veranlagte.
Michail Pietrovskij
Direktor der Staatlichen Eremitage, St. Petersburg

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Plastik 63-67 | Plastik 93-95 | Plastik 96-99 | Plastik 02-03

Weiblicher Torso XXI, 1998, Bronze 2/6, H.: 66 cm

Rede zur Eröffnung der Ausstellung am 21.10.2005

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Sehr geehrte Damen und Herren,
Zur Vernissage der Ausstellung Torsi und andere Figuren von Waldemar Otto aus Worpswede heiße ich Sie alle herzlich willkommen, besonders aber den ausstellenden Künstler: ich begrüße Herrn Waldemar Otto.

Plastiken von Otto sind nicht zum ersten Mal in Berlin zu sehen: bis zur Aufgabe des Betriebes stellte die Galerie Hartmann + Noé sie regelmäßig aus und im Jahre 2002 zeigte die Galerie im Berliner Willy-Brandt-Haus eine um-fassende Ausstellung seines Schaffens.
Nachdem ich mich in meiner Galerietätigkeit in den vergangenen Jahren verstärkt der figürlichen Plastik zuge- wandt habe, ich erinnere an die Ausstellungen Fritz Cremer, Waldemar Grzimek, Gustav Seitz, Ludwig Kasper, Richard Heß noch in der Galerie am Wasserturm, und Inge Hunzinger zu Beginn des Jahres hier am Gendarmen- markt, lag es nahe, mich um Waldemar Otto zu bemühen, was mir ja nun mit der heutigen Eröffnung gelungen ist.

Als ich im Jahre 2000 die große Ausstellung DER TORSO gemacht habe, mit 32 Torsi von 32 Bildhauern, war Waldemar Otto noch nicht dabei, warum, kann ich gar nicht sagen, nur er hätte dazu gehört. Heute nun haben wir diese Ansammlung seiner Torsi um uns, drei sind aus den sechziger Jahren, die anderen sind zwischen 1996 und 2003 entstanden.
Die Ausstellung überspringt also fast dreißig Jahre seines Schaffens. Und wer Otto kennt, kennt ihn sicher in erster Linie mit Werken aus dieser Zeit, als er das Abbild der menschlichen Figur konfrontierte mit Wänden, Kä- sten, Rastern oder Portalen. »Weibliche Figur zwischen den Wänden«, »Figur aus ihrer Vorprägung heraus- tretend«, »Mann im Gerüst«, »Großer alter Mann vor parallelen Wänden«, »Mann aus der Enge heraustretend« oder »Drehtür« sind beispielhafte Titel bzw. Themen seiner Plastiken aus jenen Jahren. In dieser Zeit hat er für sich die plastischen Mittel der Bildhauerei dadurch erweitert, dass er sich nicht auf die weibliche oder männliche Figur ob nackt oder bekleidet, beschränkte, er erweiterte seine Ausdrucksmöglichkeiten entschieden. Auch die Bearbeitung mythologischer Themen durch Waldemar Otto in jenen Jahren zeigt die Ausstellung nicht. Sie stellt die ganz frühen Arbeiten dem Alterswerk gegenüber - den Begriff Alterswerk benutze ich mit ausdrücklicher Erlaubnis von Herrn Otto -, das Woher und Wohin des Bildhauers Otto aufzuspüren, darum geht es dieser Aus- stellung.

Geboren ist er am 30. März 1929 in Petrikau, dem heutigen Polen. 1945 flieht die Familie nach Halle an der Saa- le, wo er 1945 in den Franckeschen Stiftungen das Abitur ablegt, danach beginnt er sofort mit dem Studium der Bildhauerei an der Hochschule für bildende Kunst in Berlin bei Alexander Gonda. Zur gleichen Zeit lehrten dort Richard Scheibe, Waldemar Grzimek und Gustav Seitz.
1954/1955 erhält Otto ein Jahresstipendium des DAAD in Florenz. 1955 beginnt seine freischaffende Tätigkeit in Berlin. 1963 bis 1965 lehrt Otto an der University of Notre Dame in Indiana in den USA. 1965 bis 1972 lebt er wieder in Berlin bis er den Ruf als Professor an die Hochschule für Künste in Bremen erhält. Seitdem lebt er in Bremen bzw. dann in Worpswede.

Die frühen Torsi, um wieder auf die Ausstellung zurückzukommen, sind stark expressive Sinnbilder, bedrückende Gesten äußerster Verletztheit, Bilder der Zerstörung, die Torsierung des Körpers als bewusstes Zerschneiden einsetzend. Diese Torsi entstanden in jenen Jahren, als Waldemar Grzimek seinen »Stürzenden«, seinen »Gefäll- ten« oder seinen »Geblendeten Michael« modellierte, als Gustav Seitz sich mit dem »Geschlagenen Catcher« beschäftigte und als Fritz Cremers Plastik für das UNO-Gebäude in New York ein ?Fallender? wurde, obwohl er den Auftrag hatte, einen »Aufsteigenden« zu formen. In den Geist jener Zeit reihen sich die frühen Torsi in würdiger Weise ein. Sie waren Ausdruck einer diffusen Angst, wie Otto es selbst einmal formulierte. Später erst thematisierte er die Bedrängung konkreter. Von Beginn an war der Wunsch vorhanden, etwas von der Befind- lichkeit des Menschen, vom individuell Erlebten oder Erlittenen mitzuteilen. Auch in einer Zeit, als man weithin einer der menschlichen Figur oder der Realität verpflichteten Bildhauerei die Existenzberechtigung absprechen wollt, blieb Otto diesem Wunsch treu. Es war typisch für ein weit verbreitetes Denken jener Zeit, um einmal eine Anekdote einzuflechten, dass der Berliner Bildhauer Hartung als Vorsitzender einer Jury für einen Wettbewerb zu einem öffentlichen Auftrag gesagt haben soll: »es riecht nach Menschenfleisch«, als Waldemar Grzimek seinen Wettbewerbsbeitrag vorstellte.

Heute formt Waldemar Otto seine Menschenbilder nicht mehr aus Gips oder aus Ton, er formt sie aus vier bis fünf Millimeter starken Wachstafeln, die er, durch die Handwärme geschmeidig geworden, drückt, wölbt oder biegt. Anfangs entstehen auf diese Weise männliche, später auch weibliche Torsi, durch die Leiber spürt man noch das Rohr der gebogenen Wachsplatte, nur ganz sparsame Wölbungen charakterisieren Brust, Bauch oder Po. Diese äußerste Reduktion gipfelt in einer Figur mit dem Titel »Hermes«, einem männlichen Torso, bei dem Otto die ganze Männlichkeit auf eine leichte Wölbung des Bauches und eine winzige Ausbuchtung darunter beschränkt. Mehr braucht es nun nicht mehr, um die Männlichkeit zu charakterisieren, spezielle Themen schon gar nicht.
Und dennoch verfolgt Otto immer noch sein Ziel, die Befindlichkeit des Menschen in Form zu bringen. Eine leich- te Drehung im Körper, ein kleiner Knick in der emporstrebenden Figur oder eine Achsenverschiebung der Schul- tern vermitteln Zweifel, Zurückweichen oder Unsicherheit. So gewinnen die reduzierten Volumina unvermutete Spannungen. Die Torsierung wird zur Quintessenz des Körperlichen an sich. Die Gusshaut, die Otto nun stehen lässt, strahlt Wärme und Weichheit aus, feine Ritzungen in der in der Oberfläche sind grafische Zeichen oder Risse oder beides zugleich. Mitunter sieht man noch die Naht der aneinander gebogenen Wachstafeln, als könne der Körper auch bersten. Ein Gefühl der Unentschiedenheit zwischen der Huldigung eines harmonischen Körpers und dem Aufzeigen seiner Verletzungen bleibt.

Die so reduzierten Torsi von Otto schließen nahtlos an seine frühen expressiven Figuren an. Verändert hat sich die Direktheit und Konkretheit, die Vehemenz und Eindringlichkeit. Gewichen sind diese einer großen Gelassen- heit, einer viel allgemeineren Weisheit, einer die Zeiten überdauernde ewige Fragestellung nach dem Wohin und Warum. Das bildhauerische Streben scheint sich erfüllt zu haben, es strebt seiner Vollendung entgegen. Diesen Gedanken will die Ausstellung mit der Gegenüberstellung der frühen Torsi zum Alterswerk, um diesen Begriff noch einmal zu verwenden, vermitteln. Ich hoffe, sie tut es.

Weitere Ausstellungen zu einzelnen Werkphasen von Waldemar Otto werden folgen. Die »Gewandfiguren«, von denen eine schon jetzt zu sehen ist, werden sicher die nächste Ausstellung bestimmen. Heute aber lassen Sie sich, sehr geehrte Damen und Herren von den Torsi und anderen Figuren von Waldemar Otto einladen zum Sinnieren über sich, über die anderen, über alles eigentlich. Viel Freude dabei!

Dr. Wilfried Karger

 

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