Meine Damen und Herren, liebe Freunde von
Egon, lieber Egon!
Man kann es fast nicht glauben. Egon wird 65.
Mir scheint er noch so jung wie am ersten Tag unserer
Freundschaft vor 12 Jahren. Und nun stehen wir hier in den
Räumen der Galerie am Wasserturm, umgeben von wunderbaren
Arbeiten und Zeichnungen, und feiern unseren Freund.
Wo soll man aber anfangen, über ihn zu reden und über welchen
Egon überhaupt. Er hat so viele Facetten wie ein Brillant, so
farbig und so schillernd.
Es gibt einen Egon, der vielleicht die größte Fantasie besitzt,
die ich bisher in meinem Leben erlebt habe. Diese Fantasie zeigt
sich nicht nur in seinen fertigen Arbeiten, sondern auch in
seiner unbändigen Freude am Experimentieren, am ruhe-losen
Suchen nach Neuem.
Es gibt den extrovertierten Egon, der einen ganzen Saal
unterhalten kann, oft bis zum Exzess. Die ganze Nacht
durchtanzen? Für ihn eine Kleinigkeit, am liebsten kostümiert,
je toller desto besser.
Dazu gibt es den wirklich „funkelnden“ Egon, denn
Goldschmiedmeister ist er auch! Sein Schmuck ziert heute Abend
viele von Ihnen, auch meine Töchter.
Seine Arbeiten zeigen die gleiche Fantasie wie seine Keramik, ob
Ägyptisches Blau, Gold, Silber oder Edelsteine.
Und dann gibt es der stille, ernsthafte Künstler Egon: Der
Einsiedler! - unsicher, zurückgezogen und introvertiert.
Um Kunst, wie wir sie verstehen, zu schaffen, mnuß man gerade
diese Eigenschaften besitzen und das tut er im hohen Maße. Sie
machen das Leben aber nicht leichter, weder für ihn selbst, noch
für seine Umgebung.
Da ist aber auch ein ganz anderer Egon, für viele ein
Unbekannter, der vom Staat verfolgt wurde, der terrorisiert,
eingesperrt und erpresst wurde, der von sogenannten Freunden
ausspioniert wurde, dessen Stücke aus Museen verbannt wurden und
dessen Stasi-Akte am Schluß über 30 cm dick war. Drin stand am
Schluß der lapidare Satz: „Unbrauchbar für unsere Zwecke“. Da
hatten sie wohl einmal wirklich recht.
Wie wird man aber mit solchen Demütigungen fertig? Ich bin nicht
sicher, ob ich es geschafft hätte. Egon hat es. Dank seines
unglaublichen Lebenswillens und diesem fast kindlichen Glauben
an das Gute im Menschen, hat er das alles hinter sich gelassen,
allen schweren Narben zum Trotz. Er ließ sich einfach nicht die
Freude am Leben nehmen. Punkt!
Dieser liebenswerte Egon steht heute Abend etwas schüchtern und
aufgeregt in unserer Mitte: der Freund, oft etwas hilflos, doch
treu und ungeniert. Dem einen oder anderen mag sein Optimismus,
dieser Wille, nur das Positive in Menschen zu sehen, nicht mehr
zeitgemäß erscheinen, doch für mich ist dies ein großes
Geschenk, nicht nur für ihn selber, auch für uns, die ihn
lieben. Für mich verkörpert Egon vieles von dem, was in der
heutigen Zeit verloren gegangen ist.
Er hat als Mensch und auch als Künstler etwas Unschuldiges,
etwas Reines, etwas Naives in seinem Wesen bewahren können. Und
das trotz seiner unglaublichen Lebensgeschichte.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Egons - nicht alle sind
jugendfrei - doch wir wollen hier und heute über den Egon
sprechen, der diese Kunstwerke schuf, der Künstler Egon, der die
Geschichte der Ost-Keramik tief beeinflusst hat.
Bitte erlauben Sie, dass ich ein wenig über meine erste
Begegnung mit ihm spreche. Ich traf Egon zum ersten Mal in 1992.
Meine Tochter Claudia erzählte mir von einem Keramiker aus
Stahnsdorf, einem verrückten Kerl mit roten Schuhen, mit dem sie
so unendlich viel Spaß und Freude beim Aufbau einer Ausstellung
in Frechen gehabt hatte. Ich müsse ihn unbedingt kennen lernen
und besuchen. Sie gab mir seine Telefonnummer und ich rief an.
Er freute sich, glaube ich, und Claudia und ich fuhren hin, da
sie gerade zur Weihnachtsfest in Berlin war. Die von Ihnen, die
sein Haus, seine Lebensart kennen, brauche ich nicht zu sagen,
was uns dort erwartete.
Ein kleines Schlößchen, könnte man fast sagen, in 1992 noch voll
mit Kunst - seiner Kunst - bis unters Dach! Heute sind seine
Stücke aus dieser Zeit rarer geworden, da sie ihren Weg in
Sammlungen und Museen gefunden haben. Das Haus selber passte
damals und heute genau zu ihm, verrückt herrlich, ein
Sammelsurium von Bauteilen von den Filmstudios in Babelsberg,
Steine vom Friedhof nebenan, und sogar, wie ihm der Bauherr des
Hauses versichert hat, Säulen aus dem Reichskanzlei. Er hat das
Haus nicht gebaut, doch es passt so genau zu ihm, man käme nie
auf den Gedanken, dass er es nicht selber geschaffen hat.
Er zeigte uns das ganze Haus. Oben war es kalt und ungemütlich,
doch seine Arbeiten, die da überall lagen und standen, haben uns
den Winter vergessen lassen. Über die folgenden Monate habe ich
sie alle kennen gelernt, immer wieder angeschaut, auswendig
gelernt, könnte man fast sagen, und meine Sammlerlust wurde mit
einem Schlag geweckt, ja ich kriegte dieses Kribbeln, das alle
Sammler kennen. Ich wußte sofort, mit dieser Kunst wollte,
könnte und mnußte ich leben.
Heute stehen um die 50 seine Stücke bei mir zu Hause in
Schlachtensee. Trotz Schnörkeln und oft ausufernder Fantasie
besitzen die Stücke für mich diese Reinheit, von dem ich vorhin
gesprochen habe.
Kopfschütteln begleiteten oft genug seine Schöpfungen. „Was soll
das schon wieder sein? Oh, Egon, warum ausgerechnet Lila?!“ Doch
siehe da, diese farbigen Lichter gingen dann plötzlich in den
Köpfen der Betrachter an und ein Lächeln war die Folge. Hier,
finde ich, ist eine Parallele zur Bühne: Etwas Leichtes und
Spielerisches ist viel schwerer darzustellen als ein Drama. Das
geringste Unechte wird augenblicklich, oft unbewusst, vom
Publikum oder Betrachter erkannt und abgelehnt. Unecht kann Egon
aber niemals sein. Egon ist und bleibt Egon!
Seine Worte damals werde ich nie vergessen: „Ton mnuß Ton
bleiben!“ Er gebrauchte damals fast ausschließlich
hochgebrannten, mehrfarbigen, rohen Ton, mit matten, schwarzen
Glasuren, dann plötzlich ein farbiger, glänzender Moment oder
sogar ein aufgeklebtes Glasauge. Keine Spur von Routine, von
Wiederholungen.
Er sammelte damals wie heute alles was ihn interessiert, auf der
Strasse, auf dem Friedhof, auf Schrottplätzen, wo auch immer. Er
fasst diese Stücke zu Collagen zusammen, immer beflügelt von
seinem Gefühl und Gespür für Form und Farbe.
Letzte Woche, als wir durch seinen Garten ging, fiel mir
plötzlich etwas kleines und weißes auf, dass an einer diesen
großen Collagen angelehnt war. Es war schon so viel von der
Natur eingenommen, dass ich nicht sehen konnte, was es überhaupt
war. Doch siehe da, es war ein Bisquit-Porcelain-Engelchen,
zerbrochen und irgendwann von jemand weggeworfen worden, mit nur
einem Flügel, und ohne Kopf. Egon hat es gefunden und durch ihn
bekam es ein neues Gesicht. Wunderschön. Er hatte es schon
völlig vergessen. Man kann es hier anschauen. Doch leider ist es
schon gepunktet, es geht nach Schlachtensee.
Irgendwann fand er einen kleinen, weißen, weggeworfene Grabstein
von einem früh verstorbenen Menschen. Nun liegt dieser Stein
inmitten des Gehwegs vor seinem Haus. Er fällt besonders auf,
weil er als einziger so ordentlich und sorgfältig verlegt ist.
Der vor Jahrzehnten verstorbene Mensch ist nicht vergessen. Sein
Name wird fast täglich von Egon oder von einem seiner vielen
Freunden gelesen und somit ein Teil von Egons kleiner,
verzauberter Welt geworden.
Diese Liebe auch für den kleinsten und unscheinbarsten Moment
der Schönheit führte ihn damals wie heute auf unerwartete Wege.
Doch, wie unsere unvergessene Gertraud Möhwald vor einigen
Jahren sagte: „Es zieht sich bis heute durch Egons Arbeiten eine
Spur, die alles irgendwie wieder zusammen führt und verbindet“.
Man denkt: So was kann nur von Egon kommen.
Eine bekannte Sängerin, die Sopranisten Erika Köth, sie lebt
lange nicht mehr, sagte mir einmal, „Wenn ich eine Stimme nach 5
Sekunden nicht erkenne, ist sie 2. Wahl!“. So ist es auch, meine
Meinung nach, in der Keramik. Egons Arbeiten werden in weniger
als fünf Sekunden erkannt. Und singen mnuß er, Gott sei Dank,
auch nicht. Lieber Klavier spielen.
Wie Sie merken, ist diese Ausstellung seinen „Köpfen“ gewidmet.
Für uns kehrt er für eine Weile zurück zum reinen Ton. In dem
schönen Katalog kann man sehen, welche lange, aufregende
Entwicklung er hinter sich hat. Man weiß nicht, wo man anfangen
soll, diese neuen Stücke zu beschreiben, so unterschiedlich sind
sie. Dabei gehen viele von des selben Grundform aus. Der Musiker
sagt: Ein Thema mit Variationen.
Gleiche Form: unterschiedliche Glasuren, Engoben und Schmuck.
Kein Kopf gleicht dem anderen. Köpfe mit Haarputz, denen Egon
zerschnittene Tellerfahnen aufgesetzt hat. Beim Anblick dieser
Stücke fühlen wir uns sofort nach Spanien versetzt!
Jeder Kopf erzählt seine eigene Geschichte: lustige, traurige –
auch frivole – doch nie verzweifelte oder depressive.
Er lässt seine Köpfe von großartigen, beeindruckenden
Zeichnungen und Vorstudien begleiten. Einige sind von großer
Zartheit, das Gesicht wieder von großen Augen beherrscht, die
den Betrachter erstaunt anschauen. Andere, Farbigere, sind
dramatischer, doch immer noch diese sanfte Augen.
Merkwürdig, habe ich mir gedacht. Sie sind mir gar nicht fremd.
Wo habe ich sie schon gesehen. Ja, natürlich, es sind die Augen
von Egon selber, diese klare, unschuldigen Augen, die wir alle
kennen. Schauen Sie mal genau hin, ich glaube, ich habe recht.
Wir sind jetzt viele Jahre Freunde und ich beneide die von
Ihnen, die das Glück haben, ihn länger zu kennen. Durch ihn habe
ich die anderen großen Keramik-Künstler aus den Neuen Ländern
kennen gelernt und dort, besonders in Halle, fand ich meine
„keramische Heimat“. Darauf hin entstand meine kleine Sammlung.
Ich verdanke Egon sehr viel und danke ihm von Herzen.
Ich fühle mich wohl in seinem Heim und mit ihm, besonders wenn
wir allein sind und er ruhig von sich, seinem Leben und seiner
Kunst erzählen kann. Im Gespräch offenbart er diese Tiefe nicht
jedem, doch in seinen Arbeiten ist sie allgegenwärtig. Ich bin
stolz sein Vertrauen zu genießen und vor allem, sein Freund zu
sein.
Daher kann ich aus tiefstem Herzen sagen, Egon, ich wünsche Dir
alles Gute zum Geburtstag und danke Dir für diese unvergesslich
schöne Ausstellung und auch für den gelungenen Katalog. Er wird
uns immer an diesen besonderen Abend erinnern!
Vielen Dank! |