Als Karl-Heinz Krause in jungen Jahren zusammen mit seinem Vater wiederholt
Berlin besuchte, bewunderte er schon die Schönheit des Gendarmenmarktes.
Als er 1947 mit dem Studium in Berlin begann, stand er vor den Trümmern des
Schauspielhauses und des Deutschen und Französischen Domes.
Seit 1965 in Mainz arbeitend und lebend freut es ihn nun besonders, seine 91.
Einzelausstellung und seine 18. in Berlin in einer Galerie zu zeigen, die
unmittelbar am wieder erstandenen Gendarmenmarkt liegt.
Die älteste Plastik der Ausstellung ist aus dem Jahre 1953, aus einer Zeit also,
als er noch bei Richard Scheibe Meisterschüler war. Insbesondere die plastische
Strenge des Lehrers hat Krause zeitlebens geprägt.
Aber schon 1956 entsteht der »Aufstehende«, mit dem er seinen eigenen
plastischen Stil geprägt hat. Mit der »Stillen Stunde« von 1955/56 realisierte
er schließlich seine plastische Vision von einem bewundernswerten Gleichgewicht
zwischen Körper und Raum, von einer den Raum füllenden Bewegung und
ungezwungenen Körperlichkeit, die Krauses Skulpturen nie monumental oder
statuarisch wirken lassen, sondern immer gelöst und natürlich. Dieser Vision ist
Krause bis heute treu geblieben. Die jüngste Plastik der Ausstellung ist die
»Träumende III« aus dem Jahre 2003, die der gleichen plastischen Haltung
verpflichtet ist.
Krause verfolgt von Anfang die Fortsetzung der Tradition figürlicher
Bildhauerei. Er gehört damit zu einer oftmals befehdeten oder belächelten
Minorität, während an ihm Moden wie der Minimalismus, die Schrottplastiken, der
Hypernaturalismus oder Environments abprallen. Festhaltend am Körper, an der
schönen Form überwindet er sie zugleich.
Dreiecke der Beinstellungen und Rhomben der Armhaltungen umkreisen einen Raum,
Trapeze und Parallelogramme strukturieren die Körper. Krause umschreibt den
Begriff ?Mensch? mit einer mathematisch anmutenden Konstruktion, die sich in ein
widersprüchliches Verhältnis zu den fließenden Linien setzt. Hineingreifen in
den Raum, Klarheit und Übersichtlichkeit im Raum erzeugen, stellen Krauses
plastisches Prinzip dar. Nicht nur Leib sein, immer auch Form, oder auch nur
Form - manchmal erinnert seine Konsequenz der Linienführung an die Bilder von El
Greco.
Mit der Geometrisierung der menschlichen Figur verschwindet auch die
Unterschiedlichkeit der Geschlechter, es ist der jugendliche unbekleidete
Mensch, das junge Mädchen hat etwas vom jungen Mann angenommen, und dieser in
Gegenseitigkeit etwas von seinem
Partnergeschlecht. Abgesehen von den notwendigsten Kennzeichen ist der
Unterschied zwischen den Geschlechtern aufgehoben. Die schlanken, sportlich
erscheinenden Körper verkünden die Gleichberechtigung. Alles Schmeichlerische
wird tunlichst vermieden.
Doch durchbricht Krause wiederholt und auf verschiedene Weise sein plastisches
Prinzip.
Es ist sein Arkadien, wohin es ihn immer wieder zieht und das seine Plastiken
auf ganz andere Weise beseelt als die Geometrie. Das Erleben barocker und
klassizistischer Architektur in Berlin und Potsdam in seinen jungen Jahren lässt
die Sehnsucht nach Italien erwachen.1958 reist Krause das erste Mal nach Rom,
1987 ist er Ehrengast in der Deutschen Akademie Villa Massimo. Es folgen mehrere
Aufenthalte in der Villa Romana zu Florenz. Hier durchfährt sein Schaffen eine
ganz anderen Sinnlichkeit. Er schwelgt in natürlicher Körperlichkeit, taucht in
das pralle Leben weiblicher Leiber und bewundert die Grazie fraulicher Bewegung.
Er nähert sich dem Naturhaften, auch wenn seine Architektur selbst diesen
Figuren zu Grunde liegt, für den Betrachter aber eher unbemerkt. Italien führt
Krause aber auch zur griechischen Antike. Da tummeln sich die Götter und
Göttinnen, die Naturgeister und mythologischen Helden, Sirenen, Nymphen und
Pferdemenschen, alles ovidisch-metamor-phosenhaft.
Krauses Bronzen werden natürlichste Gestik, gespeist aus einem
selbstverständlichen Lebensgefühl der Arka- dienhaftigkeit. Doch der Weg führt
auch immer wieder zurück zu den Rhomben, Trapezen und Linien. Beide Bestrebungen
existieren nebeneinander und verwoben miteinander, auch in seinen Grafiken und
Reliefs, die sparsam die Ausstellung der Bronzeskulpturen ergänzen.
Gepaart ist das bildhauerische Werk von Karl-Heinz Krause mit einer noblen
handwerklichen Gesinnung. Unterschiedliche Patinierungen von grünlich,
bräunlichen Tönungen über fast keramische Färbungen, bläuliche und blaue
Oberflächen bis hin zu einem goldfarbig polierten Jüngling zeigen das Streben
nach dem Gleichklang von handwerklicher Noblesse und einem Typ von Menschen, der
im Einverständnis mit der Welt lebt, eine klassisch anmutende Stille verbreitet
und durch Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit bezaubert. Das Werk Krauses
ist ohne Predigten, ohne Auflehnung, ohne proklamierte Rechthabereien, auch ohne
Diffamierungen anders Arbeitender. Es ist Umarmung von Liebenden, es ist der
Glanz der Körper, es ist nymphische Verführung. Es ist die »Stille Stunde«. |