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17. Oktober bis 30. November 2008

SELTMANN
Arbeiten auf Papier und in Beton

Vernissage
Donnerstag, den 16. Oktober, 19 Uhr
es spricht
Petra Hornung, Kunsthistorikerin, Berlin

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rechts: o. T., 1993

Laudatio

 

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Petra Hornung zu Seltmann »Arbeiten auf Papier und in Beton«, 16.10.2008

Sehr geehrte Gäste, liebe Kerstin Seltmann, lieber Karger,
es war für die Zeichnungen von Kerstin Seltmann immer mit einem Wagnis verbunden, sich in der Nähe von den großen, mitunter schwerleibigen und farbintensiven Gemälden von ihr aufzuhalten. Denn obwohl sich die Zeichnungen innerhalb ihres jeweiligen Refugiums durchaus behaupten konnten, leben durften, mussten sie naturgemäß am Ende zu kurz kommen.
Nicht, dass die Wirkung der Seltmann?schen Bild-Stücke, in ihrer beunruhigend schönen und dennoch unversehens in Melancholie wandelnder Dramatik – je aus meiner Seele geraten könnten – So galt meine – gar nicht mal heimliche - so aber doch unerfüllte Liebe - gerade diesen unglaublich aufregenden und geheimnisvollen Gebilden kleineren Formats. Und ich werde jetzt etwas tun, was ich noch nie im Leben getan habe. Ich werde mich selbst zitieren aus meinem Text zu der wunderbar, spannungsreichen Ausstellung »gegenüber« mit Arbeiten von Kerstin Seltmann und Michael Schönholz, in der Galerie am Wasserturm, damals, ich glaube 2003. Zitat: »Die Räume sind gefangen in jener schwerwiegenden Atmosphäre, die eine Andacht anbahnt, der man schlicht ausgeliefert ist« – »blau scheint auf; ist Nacht oder Ozean, Himmel oder Abgrund. Aus weiter Ferne schon – bereits am Eingang dieser Ausstellung ist die Berührung vom Bilde aus zu spüren. Sie steigert sich zu einer Anziehung, der man unbedingt folgen möchte. Das Schöne ist, dass man sich die Zeit für den Weg dorthin nimmt: Vorbei (vorbei!) an Zeichnungen von Kerstin Seltmann, die in ihrer Kostbarkeit ein Reichtum verschwenden den es eigentlich nur in unseren Träumen gibt. Kleine Malereien sind das, die ihre Dimensionen aus Spaß minimiert haben.«
Genau so! In diesem Befinden fühle ich mich bestärkt. Und ich bemerke zunächst mental – und zunehmend deutlicher – so etwas wie eine existentielle Veränderung in der Form, in der Formulierung der Bilder von Kerstin Seltmann. Das sieht völlig anders aus als früher. Was hat es damit auf sich?
Als erstes: die Prioritäten haben sich geändert und führen schlicht zu einer neuen Präsenz. Eine Positionierung ohne Kalkül; einfach so passiert, aus Sehnsucht, Lebensfreude, Gegenwehr. Man braucht das nicht benennen. In dieser Ausstellung jedenfalls weht ein anderer Wind. Du kannst freier atmen und der Akt der Unterwerfung ist quasi ausgeschlossen. Die Dinge scheinen offener und zugleich konkreter in ihrer Lesbarkeit. Das wird noch deutlicher in dem exzellenten Katalog übrigens der taufrisch zur Ausstellung erschienen ist und auch käuflich zu erwerben ist.
Nichts aus einem Guss; nichts aus einem Munde – und ein für allemal wahr und gültig: Mischformen, Zwischenwelten, Zwischenreiche, Horizonte. Die Aufforderung zum Tanz funktioniert und ist tatsächlich auch so gemeint. Du darfst beruhigt irritiert sein über die Bienen an der Säule, die Gänse aus dem Boden, deren seltsamer Anblick zunächst ungläubig fragen lässt: was ist denn das? Das sind herrliche Ambivalenzen, wie die Wesen selbst und das Leben sowieso. So schön so eine Biene von Nahem auch ist; das pelzige Hinterteil gelb schwarz, die filigranen Flügel, nützliche, fleißige Arbeit leisten sie ohnehin? Aber man ist besser auf der Hut, bevor sie Einem den gefürchteten schmerzlichen Stich zufügen.
Über die Gänse übrigens lässt sich nichts Freundlicheres sagen, als das, was Sie hier sehen: Sie, die Gänse, können ?gottlob? nicht von der Stelle, halten ihren Schnabel, - und die Köpfchen schön in die Höhe. Wenn sie nämlich dieselben in die Waagerechte lenkten, eiligen Gänsefußes sich uns näherten, hackt der schöne orangefarbene Schnabel zu, dreht das gepackte und auf diese Weise fest im Schnabelgriff befindliche Wadenfleisch zumeist noch ein wenig herum, nach links oder rechts gemeinerweise. Und der Mensch, angereichert durch diese nachhaltige Erfahrung, wird demnächst lieber das Weite suchen beim Anblick einer solchen Schar. Mir selbst wurde auf diese Weise ein gehöriger Respekt vor einem gewissen Ganter namens Hans eingeflößt. Nur nebenbei – eine geniale plastische Lösung; schön befremdlich und dennoch stimmig nach allen Regeln der Kunst: Einzeln und als Ensemble auch.
Aber im Grunde ist es schon so, die Kreatürlichkeit, die Tiere und die Pflanzen, hat die Künstlerin schon immer interessiert. Aber, sie waren nicht so direkt gemeint, waren Anlass zum Tun: Eine parallele Welt, vor oder neben oder hinter der eigenen. – Die großen Bilder. Tote Schwäne, überfahrene Frösche, Herzen, die Konturen umkreist, verschichtet, umschlossen, verschlossen. Indiz für allgemeinere Befindlichkeiten – eine Naturmetaphorik, die zuvorderst an den eigenen Gemütszustand gebunden war und einen weiten, mitunter zu weiten Raum für Interpretationen bot, wie sie die Künstlerin so nicht mehr möchte. Irgendwie, so scheint es, will Kerstin Seltmann die Zusammenhänge konkreter haben, näher, persönlicher vielleicht. Die Möglichkeit nutzen, über das zu erzählen, was sie kennt, genau beobachtet hat, ihr lieb geworden ist und am Herzen liegt, – als eine Art Einsicht, mittendrin. Die Anrührung, die feine Empfindung. Die Häsin, die sich eindeutig als respektable Person zu erkennen gibt – obwohl als Vogel geboren. Und darüber hinaus ist es doch so, Seltmann interessiert es durchaus, ob es für die Wesen, ?den gestürzten Esel? zum Beispiel noch eine Chance zum Leben in dieser Welt gibt. – Dies durchaus stellvertretend. Die Oberflächen sind beredt, lassen mitleiden, anfühlen mit den Augen. Die gefundene Instabilität gerade in den Skulpturen ist in sich stabil, ein Gestaltungsprinzip, künstlerisches Maß.
Und es ist diese Einmaligkeit, diese so sehr faszinierende Umsetzung von Realität, die sie mit hinein nimmt in ihre Bildräume, direkt in die Landschaft zum Beispiel. Mitten drin thront das Katertier, im Grunde unsichtbar aber eindeutig wahr zu nehmen, wenn man den Duktus spürt. Unten im Bilde, im Nebel die Rehe, als graphische Bildfindungen, Striche fast nur. Das sind keine Erfindungen! Sie sehen so aus in Wirklichkeit bei den Spaziergängen mit ihrem Hund Braque am Morgen, an einem Wintertag. Doch, sie kommt aus ohne jedes Mittel der Illusionierung von Bildräumlichkeiten. Die Fläche hat genug Raum für den artifiziellen Zauber. Nichts ist bemüht. Die Dinge scheinen sich wie von selbst einzustellen, immer weiter. Der Fundus schier unendlich. In ihrer Vielgestaltigkeit brechen die Impulse einander, und dadurch bleibt die Balance immer in jener Gefährdung, die eine gute Spannung hält.
Und doch, es ist so etwas wie Gelassenheit, Gelöstheit, die über all dem liegt und fast heiter stimmt; lustig nicht. Denn immer schwingt Melancholie mit und Sinnlichkeit, mischen sich mitunter ein, in die ohne Zweifel komischen Züge ihrer Kunst und formulieren letztlich eine Stimmung, von der ich nie genug bekommen kann. Eine Stimmung, die ich immer schon in ihren Zeichnungen, den Bildern auf Papier, gefunden habe. Eine schöne Renaissance ist das hier. Aus der Dunkelheit endlich ans Licht: Die Tagebuchmysterien der feinsten Art – unendliche Geschichten und Poesie wechseln sich ab mit Notizen, Einfällen, Anfällen. Gefunden, aufgehoben, erhöht oder wieder verworfen. Eingesponnen mit tausendfachen Linien - ?der italienischen Stiefel?. So wie er im Blatt steht, hat er doch alle Freiheit sonst was zu sein; zart wie aus feinstem Elfenlockenhaar der Strich – Ein anderes Mal die unumwunden klare Kontur, kräftig, verschwiegen oder schwelgerisch. Nuancenreich die Farbe oder in tiefster Eigenwertigkeit gefeiert. Eine Leichtigkeit des Seins, der man unbedingt trauen möchte; eine Frische, die ihre Jugendlichkeit nicht ans Alter abzugeben braucht und dennoch alle Weisheit der Welt am Leibe hat. Und schließlich, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, vergessen Sie nicht die Treppe herabzusteigen ins Allerheiligste, in die Krypta. Da finden Sie ein Tagebuch auf dem Tisch und Engel an der Wand. Dieser stimmige Klang, das ist es doch was wir brauchen. –

 

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