In der DDR von Insidern verehrt, vom offiziellen Kunstbetrieb
zuerst als Formalismus diffamiert, später eher ge- mieden als
geliebt, nach seinem unerwarteten Tod vom Nachlass-Gericht
dreizehn Jahre unter Verschluss gehal- ten sind die Bilder von
dem Bauhäusler, dem Eigenbrötler und Unangepassten nun erstmals
in Berlin zu sehen.
Carl Marx wurde am 18. August 1911 in Göttnitz bei Bitterfeld
als Sohn eines Müllers geboren. Aufgewachsen ist er in ärmster,
engagierter Arbeiterschaft in Dessau-Ziebig. Nach dem Besuch der
Mittelschule lernt er von 1926 bis 1929 Dekorationsmaler. In
dieser Zeit tritt er in die Sozialistische Arbeiterjugend ein.
Bis 1930 war er auf Wanderschaft in der Schweiz und in
Österreich, anschließend von 1931 bis 1933 studierte er am
Bauhaus bei Albers, Mies van der Rohe und Kandinsky zunächst in
Dessau und dann in Berlin bis zu seiner Schließung durch die
Nazis.1933 bis 1935 war er arbeitslos, danach arbeitete er bis
1938 als Anstreicher. Im gleichen Jahr wurde er zum Bau des
Westwalls zwangsverpflichtet und 1940 zum Kriegsdienst
eingezogen. Nach der Entlassung infolge einer Verwundung im
Jahre 1942 arbeitete er bis zum Jahre 1945 als
Prüfstellenassistent in einem Dessauer Rüstungsbetrieb tätig.
1945 bis 1947 führte er Gelegenheitsarbeiten aus. 1947 fand in
Dessau die erste Ausstellung seiner Werke statt, danach war er,
nur unterbrochen von einer Tätigkeit als Betonbauer im Jahre
1953, freischaffend als Maler in Dessau tätig. In den frühen
Nachkriegsjahren beeindruckten ihn vor allem die Linien eines
Max Schwimmer, aber bald entwickelte er seine ganz eigene
Malkultur, er malt, spachtelt, kratzt in hellen, lockeren Tönen,
in den späten Jahren wandte er sein Interesse der Kunst des
russischen Konstruktivi- sten El Lissitzky zu.
1948 ist er erstmals an der Landeskunstausstellung
Sachsen-Anhalt beteiligt, später an den Bezirkskunstaus-
stellungen in Halle.
Nach seiner Begeisterung für einen euphorischen Neuanfang nach
dem Faschismus in Deutschland wuchs bald die politische und
ästhetische Distanz zu den neuen Doktrinen. Völlig entschieden
sind die Fronten, als er inner- halb der so genannten
Formalismusdebatte in der DDR 1957 als Formalist öffentlich
diffamiert wird.
Carl Marx gehörte in Dessau zum Stadtbild. Er war der schöne
Mann mit dem Fahrrad, der im Sommer täglich im Strandbad »Adria«
die Frauen bewunderte, und er malte sie, die lebensvollen,
frechen, frivolen Figuren im Park, im Schwimmbad, im Café,
expressive Szenarien voller Lebenslust. Theater, Manege,
Rummelplatz, Clowns und Artisten waren sein Leben. Aber stets
hat er auch auf gesellschaftliche Ereignisse reagiert, bezog
intellektuelle Impulse aus Theater, Literatur und
Kunstgeschichte. Seine Bilder kreisen um die inneren Vorgänge im
Menschen. Eigennutz und Habgier waren für ihn die schlimmsten
Geißeln der Menschheit.
Ende der sechziger Jahre wird er zum Geheimtipp, verkauft bald
gut, lebt aber weiter bewusst als Asket, hat keinen Kühlschrank
und keinen Fernseher, Geld, das er nicht braucht zum täglichen
Leben, spendet er auf einen Solidaritätsfonds, für Altersheime
oder für andere soziale Zwecke. So bewahrte er sich in all den
Jahren seine geistige Freiheit, selbst die ihm zustehende
Altersrente lehnte er ab.
Allmählich erfolgte die späte Anerkennung. 1971 zeigte aus
Anlass des 60. Geburtstages die Staatliche Galerie Moritzburg zu
Halle eine Ausstellung und 1986 zum 75. Geburtstag das Bauhaus
in Dessau.
Er blieb ein demokratischer Sozialist, den Einzug der
Marktwirtschaft in sein Land begleitete er mit den Worten: »Das
pumpt uns voll mit Scheißbüchsenkram, die Stadt ist nur noch ein
Büchsenhaufen, alles korrupt.«
Carl Marx starb einsam, wahrscheinlich am 10.März 1991.
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