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16. Mai bis 1. Juli 2007

inwendig voller Figur
Joachim Dunkel (1925 bis 2002)
Zeichnung Plastik Holzschnitt

aus Anlass des 5. Todestages am 10.6.2007

Vernissage am Dienstag, 15. Mai 2007, 19.00 Uhr
Es spricht: Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Kunsthistoriker, Berlin



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Ein Gerücht geht um in Europa, das Gerücht vom kommenden Boom der Skulptur auf dem Kunstmarkt. Medien bemühen sich, diesen aufzuspüren und zu beschreiben. Die jüngste Frankfurter Kunstmesse widmete der Skulptur die gesamte Halle, löste die traditionellen Messestände auf und stellte die unterschiedlichsten dreidimensionalen Gebilde miteinander und gegeneinander in den ungegliederten Raum.
Die gezeigten dreidimensionalen Gebilde schlossen alles ein, was nicht in der Fläche beharrt, Objekte, Design, Installationen usw., die Skulptur wird in der Breite aufgefächert, weniger in der Tiefe ausgelotet. Kunstwissenschaftlich ist der Begriff der Skulptur eigentlich klar definiert als eine Plastik, die aus einem Material herausgearbeitet wird, im Gegensatz zum Aufbau aus formbarem Material. Schon deshalb ist das Gerücht vom kommenden Boom der Skulptur äußerst unscharf.
Wenn die Galerie am Gendarmenmarkt den fünften Todestag des Bildhauers und Zeichners Joachim Dunkel als Anlass nimmt, eines der bedeutendsten plastischen ?uvres des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland zu zeigen, dann geht es ihr weniger darum, dem prophezeiten Boom der Skulptur zu folgen, sondern eher auf eine Vertiefung des Umganges mit Plastik zu verweisen, im Besonderen mit figürlicher Plastik, in Reibung und Disput mit dem Geist unserer Zeit, beschränkt aber auf die spannungsvolle Auseinandersetzung von Körper und Raum, sich abgrenzend von allen Versuchen des effektvollen künstlerischen Drängens in die Dreidimensionalität. So reiht sich die Ausstellung des Werkes von Joachim Dunkel ein in das kontinuierliche Bemühen der Galerie um die Skulptur, und in deren Bestände mit Werken von Waldemar Grzimek, Fritz Cremer, Gerhard Marcks, Ludwig Kasper, René Graetz, Wieland Förster, Sabina Grzimek, Waldemar Otto, Richard Heß und anderen.

Joachim Dunkels Figuren sind gewachsene plastische Gebilde aus Materialien, die zwischen flüssig und fest mutieren, somit etwas Relatives, nichts Endgültiges beschreiben. Gips, Wachs, Ton lassen Wechsel und Metamorphosen zu. Das Statuarische wird nie beherrschend, bleibt temporäre Verfestigung, vergänglich, nie monumental.
Wie Ausgeburten des Augenblicks erheben sich seine Figuren poetisch über sich hinausweisend, immun gegen jede leere Pose. Sie sind Ausdruck immaterieller seelischer Dynamik im Wechselspiel zwischen innerer und äußerer Welt.
Das Figürliche ist für Joachim Dunkel immer das zwingende Thema geblieben. Die weibliche Form, äußerlich ruhend und innerlich bewegt, hat sie im Dunkelschen Werk eine zentrale Bedeutung. Das raumgreifende, eher männliche Element erscheint dagegen eher in den grafischen Blättern, die von Spielen, Kämpfen und Eroberungen künden. Wie in der Plastik reißt Dunkel auch in der Zeichnung die Geschlossenheit auf.
Rhythmisch gestaffelte Bündelungen von Linien, fortlaufende Bewegungen und fließende Übergänge schaffen einen kontinuierlichen Energiefluss.
Die Zeichnung behielt für Dunkel immer eine große Bedeutung, als Notiz, als Kompositionsidee, als Bewegungsstudie oder in zahlreichen grafischen Zyklen zur griechischen Mythologie.
Triebhafte Dynamik indessen verkörpert in Joachim Dunkels Werk das Tier. Allein und im Zusammenspiel mit dem Menschen schafft es einen Ausdruck animalischer Kraft und Gewalt. Der Minotaurus ist allgegenwärtig und Pferde bzw. Reiterstatuen sind eindrucksvolle Bilder des Existenzkampfes.
Dunkels Figuren reizen nicht zum Anfassen. Die aufgerissenen Oberflächen schaffen Distanz und einen schmerzlichen Zug. Schaffen und Zerstören sind zwei Seiten des gleichen künstlerischen Prozesses, der den Körper überwindet und die Form schafft, auf den inneren Kern zielend.
Spröde introvertiert sind sie, nicht anklagend, schon gar nicht sozialkritisch. Joachim Dunkel hat nie zu politischen Kunstströmungen seiner Zeit Stellung genommen, er blieb immer ein Einzelgänger und hat sich der Appelle enthalten. Die künstlerische Form war ihm immer das Wichtigste, doch Form ist eben auch eine ethische Kategorie und die Figuren Dunkels bilden einen spezifischen Beitrag zur Diskussion über den Zustand unserer Gesellschaft, bei der ein Defizit an Humanität schwerlich zu übersehen und demzufolge Zukunftsangst an der Tagesordnung ist.
In Deutschland und – besonders seit Gottfried Schadow – auch in Berlin gibt es eine wunderbare Tradition der Skulptur. Sie hat es nicht nötig, in die Breite aufgefächert und über die Gattungsgrenzen hinweg verwaschen zu werden. Einen neuen Boom vorherzusagen ist vielleicht ein kunsthändlerischer umsatzsteigernder Trick. Sich der Skulptur verpflichtet zu fühlen, bedarf eher der Erinnerung solcher besonderen Werke des zwanzigsten Jahrhunderts, worauf die Galerie am Gendarmenmarkt mit der angekündigten Ausstellung zielt.

 

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